Libyen und Ägypten 1999/2000

Drei Monate Überwintern in Nordafrika
und bis fast in den Sudan


7. Das neue Jahrtausend und 1000 km ohne Tanken

 Üble Blecherei
Üble Blecherei

In Tmissah allerletzte Gelegenheit zum Tanken und Einkaufen. Die Piste zum Wau en Namus begrüßt uns zunächst mit einem 20 km langen Weichsandfeld. Trotz drastisch erniedrigten Reifendrucks kommen wir nur im Schneckentempo auf Sandblechen und mit vollem Spateneinsatz voran. Noch 19,8 km... Tiefe Spurrinnen machen's nicht leichter.

 Jetzt bloß nicht stehenbleiben!
Jetzt bloß nicht stehenbleiben!

Mit etwas Schwung erreichen wir dann eine Lkw-Spur, wo der Sand etwas verdichtet ist. Vollgas! Bald fängt das Getriebe an zu dröhnen und zu rumpeln. Die Öltemperatur steigt auf 120° C.

Kurz vor Ende des Sandfeldes bleiben wir nochmal hängen, können uns aber leicht auf festeren Grund blechen. Weiter geht's durch schier endlose, flache Schotterwüste.

Die zwei kältesten Nächte mit Tiefstwerten von 2-3° C und zugleich einer der wärmsten Tage mit 28° C stehen bevor. Eine Nacht verbringen wir mit vier Motorradfahrern, die dasselbe Ziel wie wir haben. Kurz vorm Wau en Namus treffen wir außerdem Thomas mit seiner indonesische Frau Rani, die zusammen mit ihrem Mercedes-Geländewagen drei bis vier Monate in Nordafrika verbringen. Gerüchten zufolge sollen am Krater vor ein bis zwei Wochen Touristen von Rebellen(?) aus dem Niger überfallen worden sein. Hm! (Anmerkung: Monate später erfahre ich, daß Rebellen aus dem Tschad, die gegen dortige Regierungstruppen kämpften, den Süden Libyens als Rückzugsgebiet benutzten. Gerade im Dezember 2000 war ein Höhepunkt des Bürgerkrieges.)

  Schwarzes Nachtlager
Schwarzes Nachtlager

Endlich legt sich ein dunkler Vulkanascheschleier wie ein Schatten über den hellen Untergrund. In der Abenddämmerung stehen wir am Rand des zwei bis drei Kilometer großen und einige 100 Meter tiefen "Mückenlochs", was Wau en Namus auf deutsch heißt. Alles ist schwarz! Dennoch ein etwas enttäuschender Anblick. Die Seen sind im Dunst kaum zu erkennen; der Boden ist über und über von Spuren zerfurcht, sogar im Krater selbst bolzen offenbar immer wieder irgendwelche Banausen herum. Windschatten gibt's hier nirgends, wir stellen uns für die Nacht mitten in die Ebene, wegen der Mücken zwei Kilometer außerhalb des Kraters.

Sandsturm
Sandsturm

Nachts frischt der Wind allmählich auf. Erste leichtflüchtige Gegenstände machen sich selbständig. Das Frühstück nehmen wir im Windschatten des Autos ein. Der Wind wird immer stärker, Sand wird aufgepeitscht. Wir können gerade noch die letzten Habseligkeiten im rettenden Auto verstauen. Sichtweite jetzt 200 Meter. Kein Aufenthalt außerhalb des Autos mehr möglich, wobei auch hier einiger Sand hereingedrückt wird. Zum Glück zeigt das Heck in Windrichtung, so daß in die Luftansaugschächte für den Motor kaum Sand gelangt. Dies ist der einzige Reisetag in der Sahara mit geschlossenem Verdeck!

Wir fahren los, um in den Windschatten eines Containers zu gelangen, der am östlichen Kraterrand stehen soll, bleiben jedoch bald im weichen Sand stecken. Nun verlassen wir doch das Auto und hoffen, zu Fuß im Krater etwas Schutz vor dem Sandsturm zu finden.

Seen im Wau en Namus
Seen im Wau en Namus

Zwar bläst es auch dort unten ziemlich heftig, aber zumindest hört das Sandtreiben auf, die Sicht ist relativ gut. Durch den Wind haben immerhin die Mücken keine Chance auf eine Mahlzeit. Wir wandern unbehelligt zwischen Schilf und Palmen herum und schließlich auf den Mittelberg hinauf. Von hier sind endlich die Seen zu bewundern! Blau, rot und grün schillern sie. So viel Wasser inmitten totaler Trockenheit! Ein Phänomen. Durchschnittlich regnet es hier nur alle 20 Jahre mal.

Nachmittags verlassen wir bei nachlassendem Sturm den Krater, fahren weiter nach Osten auf klar erkennbarer Piste durch monotones Reg (= Kiesebenen). Fässer und GPS weisen zudem den Weg.

Ein Glanzstück
Ein Glanzstück
Tamariskeninseln
Tamariskeninseln

Selbst in entlegensten, kaum besuchten Gegenden der Sahara findet man oft Fahrzeugspuren, was jedoch nicht zu falschen Schlußfolgerungen verleiten sollte. Diese Spuren können Jahrzehnte alt sein, da sie - außer in reinen Sanddünengebieten - keiner nennenswerten Verwitterung unterliegen.

Nachmittags tauchen im monotonen Kiesmeer wie Inseln Tamariskenhügel auf, an denen wir übernachten.

Von dem Wurzelholz nehmen wir einen Vorrat für die nächsten Lagerfeuer mit. Heute abend besuchen uns gleich zwei Wüstenspringmäuse.

Unter vom Sandsturm immer noch verschleiertem Himmel geht's stunden- bzw. tagelang weiter durch langweilige, flache Landschaft außer ein paar Hügeln und kleinen Tafelbergen. Nachtlager sind jetzt ohne jegliche "Deckung". Wir fahren bolzengeradeaus mit Hilfe von GPS exakt auf Tazurbu zu.

25 km vor dem Ort wird es zunehmend weichsandiger und hügeliger. Ein paar Mal legt sich der Kübelwagen mit dem Bauch hinein und bremst so das Vorwärtskommen.

Tazurbu ist ein von Gott und der Welt abgeschiedenes, unansehnliches Nest. Zwar gibt's keinen Sprit, aber immerhin Wasser und Lebensmittel. Einige Einwohner wundern sich mal wieder über unsere Reiseroute. Vom Wau en Namus ohne Allrad?!

Motorausbau bei Tazurbu
Motorausbau bei Tazurbu

Außerhalb des Ortes am Silvestermorgen unsere erste echte Panne: ein rauhes Laufgeräusch stellt sich als trocken laufendes Lichtmaschinenlager heraus. Motor raus, LiMa raus, LiMa zerlegen, Lager fetten. Dank schraubbarem Heckblech nicht allzu tragisch. Frühnachmittags sind wir schon wieder auf Achse.

Silvesterfeuer
Silvesterfeuer

Den Beginn des neuen Jahrtausends feiern wir etwas abseits der Straße zwischen Sandhügeln, ein Fenek beobachtet unsere Aktivitäten. Pappe, Autoreifen und Schläuche dienen als Lagerfeuerbrennmaterial. Holz gibt's hier absolut überhaupt keins und die Tamariskenwurzeln sind schon verbraucht. Für's große Silvesterfeuer muß ein ausgedienter Lkw-Reifen herhalten. Mit Cola-Rum stoßen wir auf 2001 an.

Die Landschaft wird nun eher NOCH langweiliger. Bretteben. Und die Warnung im Reiseführer bestätigt sich: künstliche Spritverknappung, um die (illegale) Ausreise in den Sudan zu erschweren. Alle Tankstellen sind trocken. Aus diesen beiden Gründen entscheiden wir, nicht zur Absturzstelle der "Lady Be Good" aus dem 2. Weltkrieg zu fahren, die sich gut 200 km östlich der Teerstraße mitten im Nichts befindet. Siehe http://www.wpafb.af.mil/museum/history/wwii/lbg.htm oder http://www.qmfound.com/lady_be_good_b-24_bomber_recovery.htm.

Nach stundenlanger, pfeilgerader Fahrt gelangen wir nach etwa 1000 km seit der letzten Tankstelle mit noch verbliebenen 5 l im Tank endlich nach Jalu, wo's wieder Benzin gibt.

 Die Polizei: dein Freund und Helfer
Die Polizei: dein Freund und Helfer

Einem übereifrigen Polizist gefällt nicht, daß wir ein als Skulptur in der Ortsmitte aufgestelltes Ölpipeline-Ventil fotografieren und nötigt uns, zur Polizeistation mitzukommen. Dort entspannt sich die Lage aber sehr schnell, als wir mit unserem komischen Auto auftauchen und ein wenig Arabisch plaudern. Schließlich ist man uns sogar behilflich bei der Suche nach einem Bäcker und einer Piste, die wir als "Abkürzung" nach Tobruk mitten durch die Cyrenaika benutzen wollen.